Venezia im November
erfahrene Venedigreisende bezeichnen diesen Monat als einen der Schönsten um die Lagunenstadt zu besuchen.
Wie wahr!
Die Gässchen und Plätze sind wieder frei von Menschenmassen, die Vapporettos nicht mehr zugepfercht, das tief stehende Licht wirft langes Licht und Schatten auf Calle und Canäle oder mischt sich an feuchten Nebeltagen mit besonderem Reiz.
Ich erlebe die letzten Wochen des Jahres in Lagunenstadt, quasi als Einheimischer.
Wohne bei Freunden am Campo S. Giovanni e Paolo gegenüber einer der schönsten gotischen Kirchenbauten Italiens e la "Gran Scuola di San Marco" und lerne in diesen Wochen Venedig von allen Seiten kennen.
So genieße ich durch die Gunst meiner Gastgeber deren Empfehlungen, sehe und komme in Gegenden welche man das "unbekannte Venedig" nennen könnte, wie den Campo "Bandiera e Moro" - benannt nach zwei heroischen Anführern, gefallen im ital. Freiheitskriege 1844.
Hier findet sich neben Palazzi aus dem 15. Jhdt. auch die Taufkirche des "Prete Rosso", San Giovanni in Bragora, ohne dabei zu vergessen an Orte zu gelangen welche auch weltberühmt.
Wie zum um Beispiel die antiquarische Libreria "Acqa Alta" in der wohl alles zu finden ist was "Gott und die Welt" jemals geschrieben haben und trotz häufigem Hochwasser in Venedig bis zum heutigen Tag überleben konnte.
Im Ernstfall könnte man sich ja mit der originalen und buchbeladenen Gondel über Wasser halten.
Verlasse als glücklicher Finder von Robbins Landons Buch über "Mozart und Wien" diese Kult-Bchhandlung und bin gerne bereit, mein italienisch durch den überaus spannenden Inhalt, in englisch, zu überfremden ohne dabei Mozarts Besuch in Venedig 1771 zu vergessen, welcher ihn angeblich zu "Don Giovanni inspirierte" !
Doch es ist nicht alles Gold was hier glänzt und den Kurzzeit-Touristen blendet. "Wo viel Licht ist auch viel Schatten" .
Zum Beispiel die historische Orgel der einzigartigen Basilika San Giovanni e Paolo mit Grabstätten von 25 Dogen .
Wunderschön anzusehen, proportional perfekt gestaltet, was großen Klang erwarten lässt, doch höchst selten zu hören. Wie man mir versichert wird das monumentale Instrument (16' Prospekt) lediglich im Sommer hin und wieder gespielt, für den Rest der Zeit zirpen Gitarren zu den Messen......
is nix, kost nix .
"Ach wie nichtig ach wie flüchtig" geht es mir da durch den Kopf, was ist passiert mit Venedig und seiner einzigartigen Musikkultur und wohin steuern wir wenn unsere Orgeln nur noch Dekorationszwecken dienen !?
Leben in Venedig!?
Es ist ein Minimalistisches.....
was dem Besucher im exclusiven Cafè Floriani am Marcusplatz, gut versorgt durch sein Hotel, selten klar ist.
Ist doch alles, aber alles was man zum Leben braucht zu tragen, sei es durch enge Gassen, im schaukelnden Vaporetto und über Brücken, rund 300 an der Zahl.
Und so heißt die Volkskrankheit in Venedig "Gelenk- und Gehschwäche", aufgrund der vielen, oft glitschigen Treppen, gute Bedingungen zu fatalen Stürzen (wer findet die Krücke?).
Gleich unten am Campo die kleine Bar mit feinem Cappuccino ( EUR 1,2 ) und Brioche, da drückt man auch mal ein Auge zu, wenn Tauben zu Besuch kommen, ansonsten ist das Leben in Venedig ein Teures, kostet doch z. B. jede Fahrt mit dem Vaporetto EUR 7.50 !
Besser man steigt gar nicht aus und schippert durch die Kanäle bis zur Capolinea (Endstation), wo immer sie auch liegt. Der Weg zurück kostet natürlich viel Zeit, falls zu Fuss....
oder wieder....
ein biglietto.
Hinter all diesen Eindrücken lebt das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, getragen aus dem Zugehörigkeitsgefühl zu anderen Kulturen welche mir die Freiheit lassen, noch immer selbst zu entscheiden was einem "Künstler der alten Welt" heute noch nützlich sein kann.